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Gentechnik in der Tierproduktion –
der Landwirt als Pharma-Fabrikant ?
Dolly das Schaf und die Kälber
George und Charlie haben die Herzen der
Öffentlichkeit im Sturm erobert. Als kerngesunde, aufgeweckte und
zufriedene, dabei etwas treudoofe, alles in allem liebenswerte Tiere
– wie halt vom Bauernhof nebenan – wurden uns die drei
geradezu als Medienstars präsentiert. Und es werden noch weitere,
gar viele, folgen. – Aber Halt !
Dolly, George und
Charlie sind Kunstprodukte, sie sind
geklont.
Alle drei haben keine Eltern, wenigstens nicht deren zwei
– und auch nicht im geschlechtlichen Sinne. Die Tiere verdanken ihre
Existenz einem bemerkenswerten Eingriff: dem erfolgreichen Austausch des
Kerns einer Eizelle gegen den Kern einer gewöhnlichen
Körperzelle. – Das ganze nennt sich
Klonen.
Das geklonte Wesen ist erbgleich mit dem Spender
der Körperzelle; die beiden gleichen sich wie eineiige Zwillinge. Und
damit im Anschluss an das Klonen auch etwas herauskommt, also
ein Lebewesen, bedarf es zudem noch einem erfolgreichen Einsetzen der
präparierten Eizelle in den Uterus eines austragenden Muttertieres,
sowie natürlich noch dessen Trächtigkeit bis hin zur Geburt des
Nachwuchses. Dolly, George und Charlie
haben es geschafft – eine Vielzahl anderer Klonversuche nicht.
Bisher!
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In genialer Manier verstehen es Industrie und Forschung
zur Zeit, mit solchen tierischen Sympathieträgern
und mit Hilfe der Massenmedien das unbekannte und allseits
gefürchtete Monster Gentechnologie unters
Volk zu bringen.
Und das Klonen ist dabei nur der harmlosere Teil: eine altbekannte
Technik, die bei anderen als Säugetieren, z.B. bei Amphibien (wie
Fröschen und Kröten), schon seit Jahrzehnten praktiziert wird.
Durch das Klonen werden von einem bereits existierenden
Lebewesen erbgleiche Nachkommen, gewissermaßen Duplikate,
produziert; und das ganze zudem in beliebiger Anzahl sowie vor
allem mit genau vorherbestimmten Eigenschaften der Nachkommen.
Das Klonen ist jedoch, so sehr dieser
Vorgang auch zur Zeit durch die Medien kursiert, nur ein letzter
Schritt in einer ganzen Reihe von Manipulationen, die im Rahmen der
gentechnisch kontrollierten Züchtung insgesamt
vonstatten gehen.
So sind die dem Klonen vorausgehenden Manipulationen an den
Erbinformationen selbst, die Veränderungen des genetischen
Codes, die eigentliche und tragende Grundlage der modernen
Züchtungsforschung. Nur mit ihr, nicht durch das Klonen, können
die für die Nachkommenschaft gewünschten Eigenschaften
direkt und gezielt vorherbestimmt werden.
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Die Ziele einer gentechnisch kontrollierten
Züchtung liegen dabei nicht mehr – wie noch bei der
konventionellen (der Auswahl-)Züchtung – in einem
verstärkten Fleischansatz der Tiere, im rascheren Erlangen der
Schlachtreife oder in einer Erhöhung der Milchproduktion. Derartige
Erfolge haben heute, in einer Zeit der Marktsättigungen und in
Anbetracht von riesigen Agrarüberschüssen, keine allzu
große Bedeutung mehr.
Nein, die
moderne Züchtung von Tieren richtet ihr Augenmerk auf einen
Nutzen, den man schon seit längerem erfolgreich mit Bakterien
und Pilzen erzielt:
auf die Produktion von definierten chemischen Substanzen –
von Pharmaka.
Im Gegensatz zu den Mikroorganismen verfügen die
Nutztiere des Menschen – Rinder, Schafe, Schweine und Ziegen –
über einen weitaus komplexeren und leistungsfähigeren
Organismus. Und deren mannigfaltige Stoffwechselwege und
-potentiale stellen schier unerschöpfliche
Möglichkeiten für biochemische Synthesen bereit.
Die Tiere werden dazu genetisch umprogrammiert, so dass sie
ganz bestimmte Wirkstoffe (z.B. Proteine) und diese zudem in
möglichst großer Menge produzieren. Das Tier wird dabei
regelrecht zu einer lebenden Pharmafabrik
umfunktioniert. – Nicht auszudenken: das Glas Milch als
Pharma-Drink, die Blutwurst als Medikament !
Von den Forschern selbst wird in diesem Zusammenhang
schon vielsagend von Pharming gesprochen – in
Anlehnung an den englischen Begriff Farming für die
althergebrachte Form der Landwirtschaft. Wesentliche Triebfeder ist
natürlich (wie so viele Entwicklungen der modernen
Gesellschaft) der enorme ökonomische Gewinn, den eine künftige
Pharming-Industrie verspricht. – Das wird ein
weitaus lukrativeres Geschäft als die Züchtung von reinen
Nährstoff-Lieferanten.
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Wie aber gelingt es nun der Gentechnologie, derart
weitreichende Eingriffe im Erbmaterial vorzunehmen ?
Zum Grundverständnis muss man wissen, dass die
körperlichen Ausprägungen eines jeden Lebewesens, d.h. dessen
artspezifischer Bau und seine Funktionen einschließlich des
Stoffwechsels, in der sogenannten DNA biochemisch fixiert
sind. Die DNA kann man sich als extrem lange, perlschnurartige, doppelte
Kette von Molekülen vorstellen. In ihr sind die Erbinformationen in
einer für jede Art von Lebewesen, darüber hinaus aber auch
für jedes Individuum, typischen Abfolge von insgesamt nur 4
verschiedenen chemischen Grundbausteinen codiert. Eine
gentechnisch kontrollierte Züchtung basiert
originär – abgekoppelt von Maßnahmen wie dem
Klonen – auf einer Änderung der
DNA.
So etwas geschieht auch in der Natur und dies
sogar ständig und fortwährend. Dort werden spontan oder durch
Umwelteinflüsse bedingt – und dabei rein zufällig und in
den Konsequenzen nicht vorhersehbar – Änderungen an der DNA
initiiert (sog. Mutationen). Die Vielzahl der im Laufe von
Jahrmillionen auftretenden Mutationen ist eine der Voraussetzungen
für die Evolution der Lebewesen.
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Mit den Methoden der Gentechnik ist es möglich,
solche Änderungen des genetischen Codes künstlich
herbeizuführen und vor allem relativ gezielt vorzunehmen.
Dazu
war es ursprünglich zunächst einmal notwendig, analytische
Methoden zu entwickeln, mit denen man den genetischen Code überhaupt
entschlüsseln kann. Mit diesen Methoden war es dann
möglich herauszufinden, welche spezielle einzelne Ausprägung
oder Eigenschaft eines Lebewesens von was für einer Abfolge der
chemischen Grundelemente in der DNA bestimmt ist (sog.
Basen-Sequenz).
Daran anschließend stellte sich den Wissenschaftlern die Frage, wie
man derart ausfindig gemachte DNA-Bereiche isolieren kann, um sie
dann für eine gezielte Übertragung in andere Organismen
zur Verfügung zu haben.
Zu diesem Zweck fanden die Genforscher interessanterweise
in der Natur molekularbiologische Mechanismen:
Man entdeckte, dass Viren sowie einige bestimmte
Bakterien in der Lage sind, ihr Erbmaterial (bzw. Teile
davon) in die Zellen fremder Organismen einzubringen.
In diesen Organismen wird das fremde Erbgut dann erstaunlicherweise wie
eigenes behandelt. Offensichtlich erkennt es die
Wirtszelle nicht als fremd.
Diesen gleichermaßen genialen wie (für das
Opfer) fiesen Implantations-Vorgang aus der
Natur machen sich nun die Gentechniker für ihre
Züchtungsvorhaben zunutze:
Sie manipulieren ihrerseits die Viren bzw. Bakterien selbst und machen
diese zu Werkzeugen für den Gentransfer. Dazu versieht man die
Viren oder Bakterien mit solchen DNA-Sequenzen, die für
gewünschte Eigenschaften der zu züchtenden Nachkommenschaft
genetisch codieren.
Das Verändern des genetischen Codes der Viren und Bakterien wiederum
gelingt, wegen der Primitivheit dieser Organismen, relativ einfach und ist
ein recht überschaubarer Vorgang. Man bedient sich hierfür
spezieller Enzyme (bioaktive, katalysierende
Eiweißsubstanzen), die in der Lage sind, DNA-Stränge
gleichermaßen zerschneiden wie auch wieder zusammensetzen zu
können. Oder man bewerkstelligt den Gentransfer
schlicht durch ein mechanisches Hineinschießen der Fremd-DNA in
die Zellen des Zielorganismus (wozu die DNA zuvor auf Metallkügelchen
aufgebracht wird).
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Die beschriebenen genetischen
Manipulationen an Nutztieren sind, wegen der pharmazeutischen
Orientierung der zu erzielenden Effekte, momentan die ökonomisch
lukrativsten Entwicklungen der Gentechnologie. Auch sind dies wohl die
spektakulärsten Anwendungen der Gentechnik – auch wenn die
Beachtung und das Echo in den Medien zur Zeit mehr dem
Klonen gilt.
Unterbewusst denken viele von uns bei dieser Thematik
vielleicht an Phantastereien à la Frankenstein. In der
Tat muss man aber sehen, dass der Weg von den landwirtschaftlichen
Nutztieren, immerhin hochentwickelte Säugetiere, hin zum Menschen
selbst für die Wissenschaft nicht mehr allzu weit ist.
Man kann sich daher durchaus der Gefahr ausgesetzt sehen, derartige
Manipulationen recht bald am eigenen Leib zu erfahren. Die
Tatsache, dass die Gentechnik auch Nutzen bringen kann und soll –
vor allem in der humanmedizinischen Anwendung, durch eine Verhinderung von
Erbkrankheiten und Erbdefekten – ist allerdings stark konfrontiert
von ethischen und soziopolitischen Bedenken.
Und dies wohl zu Recht – man denke nur an die jüngste deutsche
Vergangenheit, mit dem Euthanasie-Programm unter
nationalsozialistischer Herrschaft !
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