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Von Gewürzen und Handelskriegen
Das Würzen von Speisen ist eine vielgestaltige
Kunst: Sie erfordert Fingerspitzengefühl bei der Dosierung, einen
empfindsamen Gaumen beim Abschmecken und nicht zuletzt viel Erfahrung und
Kenntnis über das, was überhaupt möglich ist. – Eine
Kunst also, die wohlgeübt sein will.
Die Verwendung von Gewürzen hat in nahezu allen
Kulturkreisen der Welt eine sehr weit zurückreichende Tradition.
Älteste Belege stammen aus einer Zeit von etwa 4000 v. Chr..
Dabei war (und ist) der Gebrauch von Gewürzen bei
weitem nicht nur auf die Zubereitung von Speisen beschränkt.
Gerade in vergangenen Zeiten, in denen die Naturheilkunde die
Medizin beherrschte, dienten Gewürze und Kräuter zur –
tatsächlichen oder vermeintlichen – Linderung aller
möglichen Leiden
und Beschwerden. Nelkenöl beispielsweise
gilt als geradezu klassisches Mittel gegen Zahnschmerzen: es kühlt,
lindert die Schmerzen, und es wirkt antibakteriell.
Manche Gewürze werden gar als Drogen missbraucht: so
vermittelt ein überreichlicher Genuß von Muskatnuss
nicht nur die ersehnten euphorischen Stimmungen, sondern auch
Halluzinationen (akustischer Art) und führt bei höheren Dosen
(2 bis 3 Nüsse) zu Vergiftungen.
Ihre intensiven Düfte machten Gewürze auch schon immer
interessant bei der Herstellung kosmetischer Produkte, wie Seifen,
Shampoos und Parfüms. Hierzu werden allerdings weniger die
Gewürze selbst, sondern konzentrierte Extrakte von diesen
verwendet.
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Die Vielfalt an wohltuenden und wohlgefälligen
Wirkungen haben wir den in den Gewürzen enthaltenen
ätherischen Ölen zu verdanken. Diese Öle sind
komplexe Gemische aus einer Vielzahl unterschiedlichster chemischer
Substanzen. Sie sind größtenteils ausgesprochen aroma- und
geschmacksintensiv.
Die Fähigkeit zur Produktion von ätherischen
Ölen ist nur wenigen Pflanzen eigen. Interessant ist dabei die Frage
nach dem Sinn und Zweck des ätherischen Öls für die Pflanze
selbst:
Sicherlich bieten diese Öle – die in größerer Menge
genossen keineswegs mehr bekömmlich sind – einen Schutz vor
Fraß durch Tiere. Und die antiseptische Wirksamkeit
von ätherischen Ölen schützt Früchte und Samen vor dem
Verfaulen, also vor mikrobiellem Verderb, und sichert so die Vermehrung
der Pflanze.
Je nach Art der Pflanze finden wir das ätherische
Öl in recht unterschiedlichen Teilen des Pflanzenkörpers:
Es kann sich um die Früchte handeln (Chili,
Paprika, Pfeffer, Kardamom, Piment,
Vanille, Kümmel, Koriander), um die Samen
(Senfkörner, Muskatnuss) oder um
Blütenknospen (Gewürznelken, Kapern); den
teuren Safran gewinnt man (in mühseliger Handarbeit!) gar nur
aus Blütennarben; Zimt wird von der Rinde eines
Baumes gewonnen (Zimtstangen); Ingwer und
Kurkuma stammen aus Wurzelstöcken; und Knoblauch
ist eine Zwiebel, wie auch die allseits bekannte
Küchenzwiebel selbst.
Schließlich kann sich das ätherische Öl auch recht diffus
verteilt nur in den Blättern und Stengeln
der Pflanze befinden. Diese Gewürzkräuter –
zu nennen sind hier insbesondere Petersilie, Schnittlauch,
Basilikum, Estragon, Majoran, Thymian,
Rosmarin, Salbei und Lorbeer – haben in der
europäischen Küche wie auch Heilkunde eine
weitreichendere Tradition als die eigentlichen Gewürze.
So sehr das ätherische Öl als
wertbestimmender Bestandteil die geschmackliche und geruchliche
Charakteristik eines jeden Gewürzes bestimmt, so sehr ist dieser Wert
nur von einer beschränkten Dauer. Aufgrund der ausgesprochenen
Flüchtigkeit dieser Substanzen (ätherische
Öle haben nichts gemein mit den fetten Ölen)
schwindet das Aroma eines Gewürzes recht schnell, gerade im
gemahlenen Zustand, d.h. als Gewürzpulver.
Weniger betroffen von solchen Qualitätseinbußen sind
Gewürze, die in erster Linie scharf (Pfeffer, Chili)
oder beißend-stechend (Senf, Meerrettich)
schmecken. Diese Geschmacksnoten werden mehr durch andere, weniger
flüchtige Substanzen geprägt.
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Der Anbau der meisten Gewürzpflanzen ist
beschränkt auf Gebiete mit warmem und relativ feuchtem Klima. So
findet sich der Ursprung des Gewürzkonsums in Ländern
Südostasiens und Nordafrikas, im mittleren und vorderen Orient, sowie
in China und Indien. Und heute noch haben gerade diese Länder eine
stark von Gewürzen geprägte Esskultur.
In Europa jedoch hat – abgesehen von den Anrainerregionen des
Mittelmeeres – die Verwendung von Gewürzen bis heute keinen
sonderlich prägenden Einzug in die Küchen gehalten. Ohne Zweifel
ist dieser Umstand historisch bedingt, er hat gewissermaßen eine
mangelnde Gewöhnung zur Ursache.
Gewürze fanden bis ins 19. Jahrhundert hinein nur
spärlichen Zugang zum europäischen Markt. Abgesehen
von der
geringen Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten lag dies vor allem
an den schlechten bzw. gar nicht vorhandenen Transportwegen und
-möglichkeiten.
Die Gewürze mussten mühevoll und unter mannigfaltigen Gefahren
aus den weit entfernten Regionen des Anbaus nach Europa gebracht werden.
Hier wurden sie dann dementsprechend zu horrenden Preisen
feilgeboten. Insbesondere Pfeffer (heute noch das am meisten
konsumierte Gewürz) wurde regelrecht mit Gold aufgewogen.
Aber auch Chili, Piment, Gewürznelke,
Muskatnuss, Vanille und Zimt hatten ihren
herausragenden Wert.
Und im gleichen Maße, wie diese Gewürze für das
gewöhnliche Volk unerschwinglich waren, wurde deren Genuss von den
Adligen und Reichen geradezu als Statussymbol gepflegt.
Der Handel mit Gewürzen garantierte in jenen Zeiten
enorme Gewinne, und er machte ganze Städte reich. Allerdings
profitierten ganz überwiegend nur die Kaufleute
(Pfeffersäcke) und weitaus weniger, wenn überhaupt, die
Erzeuger selbst, die Bauern.
Die Verheißung von Reichtum und Wohlstand ließ die
Kolonialherren beim Anbau und dem Handel mit Gewürzen
äußerst rigide vorgehen. Die Bauern in den Erzeugerländern
wurden auf brutalste Weise unterdrückt und ausgebeutet. Ihre
Arbeitskraft mussten sie ausschließlich dem Gewürzanbau widmen,
und dies zu einem erbärmlich niedrigen Lohn. Für die
traditionelle Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln blieb den Bauern weder
Zeit noch Kraft, man gab ihnen nicht einmal Gelegenheit dazu. Und wer in
seiner Verzweiflung versuchte, Gewürze in Eigenregie anzubauen, um so
ein wenig am lukrativen Geschäft teilzuhaben, riskierte Schaden an
Körper, Familie oder Haus – und wurde häufig genug auch
kurzerhand aus dem Weg geräumt.
Gestützt auf ihre militärische Vormachtstellung
war es den europäischen Kolonialherren möglich, den Handel mit
Gewürzen über Jahrhunderte ausgesprochen monopolistisch
zu führen. Sie unternahmen alles, um die Ausweitung des
Gewürzanbaus auf solche Gebiete zu verhindern, die nicht ihrem
Einflussbereich unterlagen.
Gleichermaßen und demgegenüber versuchten allerdings die
konkurrierenden Nationen, den Anbau der begehrten Gewürze auch in
ihren eigenen Kolonien zu ermöglichen. Und das gelang ihnen auch
immer wieder – durch den Schmuggel von Samen und Pflanzen.
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Im Mittelalter beherrschten die Araber die
Handelswege für Gewürze. Das waren damals die Landwege
durch den Orient. In Europa waren zu dieser Zeit Venedig und Genua die
bedeutendsten Handelsplätze für Gewürze. Beide
Städte erreichten im 14. und 15. Jahrhundert dank des
Gewürzhandels ihre wirtschaftliche Blüte.
Die Gewürze erwarben sie von den Arabern und verschifften sie von
Konstantinopel (dem heutigen Istanbul) und Alexandria (nördlich von
Kairo) aus nach Venedig bzw. Genua. Von dort aus ging der Handel dann ins
übrige Europa, u.a. auch über die beschwerlichen
Alpenpässe.
Als Vasco da Gama im Jahre 1498 Indien erstmals
über den Seeweg erreichte (um die Südspitze Afrikas herum), war
jedoch der wirtschaftliche Niedergang Venedigs und Genuas besiegelt.
Die Portugiesen nutzten den Seeweg nach Indien bereits wenige Jahre nach
dessen Entdeckung intensiv zum Handel mit dem
indisch-asiatischen Raum. Im Vergleich zum Landweg war der
Transport über das Meer relativ sicher (vor
Überfällen), bot weitaus größere Kapazitäten,
und er war zudem schneller. So konnten die Portugiesen ihre Gewürze
zu einem Fünftel des Preises anbieten, den die venezianischen
Händler forderten. – Die Karawanenwege durch den Orient waren
mit einem Schlag vom Markt verdrängt.
Der Gewürzhandel lag seitdem stets in den
Händen von Seefahrtsnationen. Außer Portugal waren das
seinerzeit auch Spanien (das sich allerdings mehr auf Amerika
konzentrierte), später dann die Niederlande und schließlich
Frankreich sowie Großbritannien.
Entsprechend waren und sind unter den Gewürzmetropolen Europas
bedeutende Hafenstädte: Antwerpen, London und auch Hamburg. Hamburg
ist in Deutschland heute noch das Eingangstor
für Gewürze.
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Nun, heutzutage spielen Gewürze im internationalen
Handel keine allzu große Rolle mehr. Die Anbau- und Handelsmonopole
sind verschwunden. Auch stellen Gewürze keinen besonderen Wert mehr
dar.
Ein nunmehr überreiches und dabei für jeden erschwingliches
Angebot hat in Europa dennoch nicht zu einem Boom im Konsum von
Gewürzen geführt.
Geblieben ist aber ohne Zweifel der Hauch des Fernen
und Exotischen – der den Gewürzen schon immer anhaftete.
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